Plädoyer für ein Europa ohne Atomwaffen

Zwei ehemalige belgische Premierminister und zwei frühere belgische Außenminister haben in der flämischen Tageszeitung „De Standaard“ einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie ein Kernwaffen freies Europa fordern.

Die Tatsache, dass sich vier ehemalige belgische Spitzenpolitiker unterschiedlicher Parteien gemeinsam für eine Sache einsetzen, ist schon ein bemerkenswerter Vorgang und mit Sicherheit eine Premiere.

Die früheren belgischen Premierminister Jean-Luc Dehaene (flämischer Christdemokrat - CD&V) und Guy Verhofstadt (flämischer Liberaler - Open VLD) und die ehemaligen Außenminister Louis Michel (wallonischer Liberaler - MR) und Willy Claes (flämischer Sozialist - sp.a) eifern gemeinsam für ein Atomwaffen freies Europa.

Sie wollen keine US-Kernwaffen mehr auf europäischem Boden haben und somit auch keine Kernwaffen fähige Raketen auf dem belgischen NATO-Stützpunkt Kleine Brogel (Foto) in der flämischen Provinz Limburg, wo inoffiziell 10 bis 20 Kernwaffen lagern sollen.

Auffallend ist auch, dass zwei (Claes und Dehaene) der vier Protagonisten zur Zeit der Stationierungen der Atomwaffen in Europa vor gut 30 Jahren Spitzenpositionen in der belgischen Bundespolitik bekleideten.

Die großen Friedens- und Antiatomdemos in Brüssel in den 1980er Jahren waren unter anderem auch gegen deren Parteien gerichtet.

180°-Drehung?

„Man kann es ein Umschwenken nennen“, so Ex-Außenminister Willy Claes (Foto), der eine Zeit lang auch NATO-Generalsekretär war. Aber, der flämische Sozialist musste feststellen, „dass das Prinzip der Non-Profileration von Kernwaffen heute so nicht mehr tragbar ist.“

Alleine die Tatsache, dass Länder wie Indien und Pakistan den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet haben und heute selbst Kernwaffen fähig sind, beweist für Claes, dass das Drohpotential dieser Art Waffen abhanden gekommen sei.
 

„Die Welt wird gefährlicher“

Immer mehr Länder bemühen sich heute, über Atomwaffen verfügen zu können. Sie werden durch Staaten wie Indien oder Pakistan - siehe Iran und Südkorea - quasi dazu verleitet.

Dadurch, so die vier Autoren, werde die Welt gefährlicher. Zudem können man solchen Ländern kaum glaubwürdig von solchen Vorhaben abraten, wenn man selber über ein Kernwaffenarsenal verfüge.

Es biete sich in dieser Optik nur eine Möglichkeit: „Der kontrollierte totale Abbau der internationalen Kernwaffenarsenale, um kommende Generationen vor dem Risiko schrecklicher Konfrontationen zu schützen.“

Die vier international anerkannten belgischen Spitzenpolitiker haben den Zeitpunkt für ihre Veröffentlichung nicht zufällig gewählt. Sie fühlen sich durch die Politik des neuen US-Präsidenten Barack Obama dazu ermutigt, denn mit ihm „sei Bewegung möglich.“

Die belgischen Friedensbewegungen reagieren positiv auf die Initiative der vier Politiker. Dies sei auch deswegen von Bedeutung, weil es in Kürze zu einem internationalen Sicherheitsgipfel zum Thema Atomwaffen kommen soll. Unser Land könne dabei einen wichtigen Impuls geben.
 

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