Soziologe: Frankfurt gefährlicher als Brüssel

Letzte Woche sendete das ZDF einen Beitrag über die steigende Kriminalität in Brüssel (Foto). Demnach soll Brüssel eine der gefährlichsten Städte Europas sein. Doch die ZDF-Redaktion basierte ihre Behauptungen auf falschen Zahlen, wie der Soziologe Jan Hertogen feststellt.

In Deutschland und auch in Belgien sorgte der ZDF-Beitrag über die Kriminalität in Brüssel für Aufsehen. Doch in diesem Beitrag wurden konstant falsche Zahlen genannt, wie der Soziologe Jan Hertogen ganz einfach belegt. So sollen laut ZDF im Jahr 2010 30.000 Straftaten pro 100.000 Einwohner begangen worden sein. Doch die richtige Zahl wäre 15.500 Straftaten pro 100.000 Einwohner.

Das ZDF machte den kapitalen Fehler die Region Brüssel-Hauptstadt mit Brüssel Stadt zu verwechseln, obschon dieses Zahlenmaterial offen zugänglich ist und zwar auf der Internetseite der belgischen Bundespolizei: http://www.polfed-fedpol.be/crim/crim_stat_nl.php. Hier sind alle entsprechenden Statistiken, die Kriminalität in Brüssel betreffend, aufgelistet und zwar für den Zeitraum 2000 bis 2010: Bevölkerungszahlen, Kriminalitätsstatistiken und einiges mehr für alle Brüsseler Gemeinden, für die Region Brüssel-Hauptstadt und für alle anderen Länder und Regionen in Belgien inklusive die wichtigsten Städte im Land.

Der Soziologe Hertogen fragt sich, warum kein Politiker in Belgien diesen Fehler beim ZDF beanstandet. Vielleicht liegt das daran, dass hier bald Kommunalwahlen stattfinden und der eine oder andere hat vielleicht ein Interesse daran, dass bestimmte (schlechte oder gute) Zahlen im Raum stehen… In Deutschland würde man wohl Kopf stehen, so Jan Hertogen, wenn man die Kriminalitätsstatistik von Berlin auf das Zahlenmaterial von Kreuzberg oder Neukölln basieren würde. Doch die ZDF-Redaktion machte dies und zwar (bisher) unwidersprochen. Hier wird die Zahl einer Brüsseler Gemeinde auf die ganze Region angewendet, was ein völlig falsches Bild abgibt, denn es handelt sich hier um eine fälschlicherweise angegebene Verdoppelung der eigentlichen Zahlen.

Brüssel wird immer sicherer

Jan Hertogen erklärt anhand von frei zugänglichen Statistiken auch, dass die Zahl der Straftaten in Brüssel trotz steigender Bevölkerungszahlen sinkt: 2009 -4,1 %, 2010 -6,1 % und im ersten Halbjahr 2011 setzte sich dieser Trend weiter durch. Mit dem Hinweis, die Statistiken der oben genannten Internetseite der Bundespolizei zu konsultieren, bespricht der Soziologe auch die Zahlen von Mord- und Totschlag in Brüssel. Zwar habe Brüssel in den Jahren zwischen 2006 und 2009 europaweit auf einem unrühmlichen 4. Platz gestanden, doch seit dem sinken diese Zahlen.

In diesen Tabellen wird der Kriminalitätsgrad mit der Zahl Straftaten pro 100 Einwohner angegeben. Das bedeutet für die Stadt Brüssel 15,5 Straftaten auf 100 Einwohner. 2010 lag die Statistik in anderen belgischen Städten deutlich höher: Antwerpen (16,9), Gent (17,0), Luik (22,9), Charleroi (17,6) und Mechelen (18,0).

Zu Ostern sorgte ein Todesopfer nach einer Gewalttat im Zuge eines Verkehrsumfalls wieder für ein schlechtes Bild von Brüssel. Doch die Tatsache, dass hier ein Belgier einen Einwanderer ums Leben brachte, kam in der Berichterstattung kaum vor. Doch die Folge davon war, dass viele Einwanderer in Brüssel für eine sicherere Stadt demonstrierten. Diese oft als "die Bösen“ bezeichneten Einwanderer lieben ihr Brüssel und wollen hier in ihrer übergroßen Mehrzahl ebenso sicher leben, wie ihre belgischen Landsleute auch, so Hertogen, doch inzwischen dürfe sich wieder jeder über das ach so gefährliche Brüssel auslassen.

Und so befürchtet er denn auch, dass eine Falschinformation, wie die des ZDF, ihr Eigenleben führen wird und die belgische und europäische Hauptstadt einmal mehr für Jahre in ein schlechtes Licht rückt, während Frankfurt am Main statistisch gesehen viel gefährlicher ist, als Brüssel…

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